O.R.B. Geschichten

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Leopold Schilling

Die folgende Kurzgeschichte ist rein fiktiv, falls sich Namen oder Handlungselemente mit Personen oder Ereignissen aus der echten Welt überschneiden, ist dies reiner Zufall.

Die Räder des Autozuges klapperten über die Schienen auf dem Hindenburgdamm. Gleich geschafft. Leopold Schilling blickte aus dem Fenster, konnte aber nichts sehen - es war noch früh und damit zu dunkel etwas zu sehen. Es fiel ihm schwer, sich zu freuen, denn er war nicht zum Spaß hier. Mit dem geliehenen Auto seines Bekannten, einem falschen Ausweis und zehntausend Euro in bar war er auf der Flucht. Er musste fliehen, denn er wusste wozu sein ehemaliger Arbeitgeber imstande war. Das war das Problem: er wusste zu viel. Er selbst arbeitete als Neurowissenschaftler in einer Abteilung, die er 'Gehirnwäsche-Abteilung' nannte. Ihm war klar, wenn sie ihn finden passiert etwas schlimmes. Das Harmloseste, was sie ihm antun würden, wäre eine Lobotomie, aber dabei blieb es bei den wenigsten 'Patienten'. Warum Sylt? Wusste er auch nicht, er war einfach gefahren - so weit er konnte. Leopold wusste nicht wohin mit sich, aber für ein paar Tage könnte er auf Sylt unterkommen. Es war nicht die Session für den großen Tourismus auf der Insel, es war Winter und da würde er sicherlich etwas finden, was er Bar (und am besten ohne seinen gefälschten Ausweis vor zu zeigen) bezahlen könnte. Auch Geld abheben konnte er keins mehr. Die zehntausend Euro waren das letzte Bargeld was er noch zuhause versteckt hatte. Er wusste ganz genau, dass alle großen Banken mit der Firma kooperierten - die Angst war wohl größer als der Wille zum Datenschutz.

Die Bremsen des Autozuges quietschten und Leopold ließ ein Fenster hinunter, um die Anweisungen zu hören. "Bitte schalten sie Ihren Motor erst an, wenn sich das Fahrzeug vor ihnen in Bewegung gesetzt hat. Fahren sie dann in Schrittgeschwindigkeit vom Zug. Vielen Dank für Ihre Reise mit uns. Wir wünschen einen schönen Aufenthalt auf Sylt." Er verließ den Zug und fuhr zum nächsten Bäcker den er finden konnte. Er war seit 8 Stunden ohne Pause durch die Nacht gefahren und hatte großen Hunger.

"Moin" "Hallo, Moin. Habt ihr Frühstück?" Die Verkäuferin, die wenige Minuten zuvor den Laden geöffnet hatte schaute Leopold verwundert an. "Sind sie v-v-vom Hotel?" "Nein, ich bin - ähmm - Tourist, gerade hier angekommen." "Achso, entschuldigen Sie. Ja, wir haben Frühstück, die Karte liegt auf den Tischen. Was führt Sie so früh-", sie schaute auf die Uhr, "um sechs Uhr früh schon hier her?" Leopold ging ohne die Frage zu beantworten an einen Tisch. Er hasste es Lügengeschichten zu erzählen, darin war er noch nie gut, nicht einmal als Kind.

Er suchte sich eins der seines Erachtens viel zu teuren Frühstücksmenüs aus und bestellte es. Es war gut, seinem Preis wurde es jedoch nicht gerecht.

Langsam ging die Sonne auf, Leopold wusste aber nicht genau wohin mit sich, deshalb stieg er nach dem zweiten Kaffee wieder zurück in sein Auto und fuhr ohne Ziel Richtung Norden. 25 Minuten später stand er vor einer Mautstraße, die zu Sylts und damit Deutschlands nördlichsten Punkt führte. Er überlegte das Auto im Wasser zu versenken, falls sie herausgefunden haben, wie er flieht, und mit dem Bus weiter zu fahren. Er bezahlte die sechs Euro für die private Straße über den Sylter Ellenbogen und fuhr weiter. Zwischenzeitlich musste er anhalten, da frei laufende Schafe die Straße überquerten. Ungünstig für Leopolds Plan endete die Straße nicht auf einem Steg, sondern an einem großen von Deichen umgebenen Parkplatz. Anstatt gleich wieder umzudrehen hielt er an dem Parkplatz und lief zum Meer. Die noch immer tief liegendende Sonne am Horizont sah Wunderschön aus. Hätte er sein Smartphone dabei hätte er gerne ein Foto davon gemacht, das wäre ihm aber zu gefährlich gewesen. Auch die auf den Sandstrand peitschenden Wellen waren wunderschön - er war schon so lange nicht mehr am Meer.

Woran er jedoch nicht dachte, just in diesem Moment sah eine Mitarbeiterin in Frankfurt auf ihrem Bildschirm eine Karte mit einem kleinen Blauen Punkt an der Spitze von Sylt. Die Firma fing das GPS Signal des Autos ab. Von dem verängstigen Bekannten von Leopold erfuhren sie, dass er sein Auto geliehen hatte. Nach einem Anruf machte sich auch schon ein Kastenwagen mit Sicherheitspersonal aus dem Firmensitz in Flensburg auf den Weg in Richtung Sylt.

Knapp eine Stunde später drückte Leopold - nichtsahnend von der nahenden Gefahr - einer älteren Dame in Westerland einen 500 Euro Schein in die Hand, um in ihrer Pension für eine Woche unter zu kommen. Er hatte keine Ahnung wie er weiter vorgehen sollte, er könnte nirgendwo langfristig bleiben, auch nicht im Ausland, die Firma war weltweit verbreitet. Hätte er doch einfach nicht gekündigt, dann würde er jetzt noch immer in seinem luxuriösen Frankfurter Penthouse Apartment wohnen. Dafür lag er jetzt in einem ihm zu kurzen Bett in einem Zimmer mit zehn Quadratmetern und dachte über eine neue Identität nach. Nachdem er 20 Minuten döste entschied er sich, in die Einkaufsstraße zu gehen, in der er sich einen Schlauchschal und eine mit Fell gefütterte Mütze kaufte. Damit konnte er gut sein Gesicht bedecken, ohne dass jemand bei der Kälte Verdacht schöpfen würde. Er war sich sicher, dass die Firma auch die Überwachungskamera anzapfen würde und ihn mit Gesichtserkennungssoftware suchen würde. Auf dem Weg zurück zu seiner Unterkunft sah er schon von weitem, dass vorm Haus ein weißer Kastenwagen stand. 'FL O 0028', das musste die Firma sein. Leopold machte sofort kehrt und ging in die andere Richtung. Er bog in eine Seitengasse und begann zu rennen. In einem Moment der Unachtsamkeit stolperte er und fiel.

Als er sich wieder aufrichten wollte wurde er an den Armen gepackt und Festgehalten. "Nicht so eilig, Herr Schilling.", zwei Männer zerrten ihn in den weißen Kastenwagen. "Wir bringen Sie wieder Nachhause."

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